« Ganz schlechter Zustand ! » Wie bitte? Ich bin so verblüfft, dass ich doch noch einmal nachfragen muss. Ich habe mich doch sicher gerade verhört. Habe ich aber nicht. Était-ce erlaubt sich der Blödmann auf dem Motorroller eigentlich ? Da zwängt der sich an der roten Ampel kreuz und quer an allen wartenden Autos vorbei und bedeutet mir, das Fenster herunterzukurbeln, nur um mir mittzuteilen, dass ihm das Erscheinungsbild meines Oldtimers nicht gefällt. Leute gibt’s …
Gut, mein Opel Rekord sieht wirklich nicht mehr aus wie frisch vom Fliessband. Aber für einen 63 Jahre alten, notorischen Schnellroster steht er eigentlich noch ganz gut da. Sein Zustand bewegt sich irgendwo zwischen dem « Bluesmobil » und dem Peugeot von Inspektor Columbo. Und daran werde ich nichts ändern, denn mir erzählt er so vom früheren Leben in Skandinavien. Aber da der Rekord weder ein berühmtes Filmauto noch das Produkt einer süddeutschen Teuermarke ist, sehen andere Leute nur einen gammeligen Opel.
Klaus Kienle brachte es beim Anblick der schwarzen Limousine auf den Punkt : « Wäre das ein 300 SL, würden sich die Leute um diesen Zustand reissen. » Als weltbekannter Spitzen-Restaurator hochpreisiger Mercedes-Benz-Klassiker weiss er um den Wert von Originalsubstanz, auch bei Fremdfabrikaten. Denn die meisten Opel Rekord P1 wurden inzwischen schon mindestens einmal restauriert. Wenn nicht, sind es in der Regel völlig zerfressene Ruinen, die ohne grosszügige Blechtransplantationen nur noch als Stütze für junge Rosenbüsche taugen.
Aber als strukturell gesunder, ehrlicher « Vierplusser », der noch nie ein Schweissgerät oder eine Spritzpistole gesehen hat, ist so ein Alltagsmobil richtig selten. Nur (an)erkennen das eben längst nicht alle. Zum Glück aber immer mehr. Wie beispielsweise die nette Besucherin bei einer der letztjährigen Classiques plus anciens, die im Vorbeigehen fröhlich sagte : « Schön, dass Sie den so original erhalten. » Es gibt aussi noch Hoffnung.
