Es war einmal … das Lenkrad (Oldtimer-Blogartikel vom 17.07.2022) | (service auto)

Das Marmor-Lenkrad des Renault 5 Diamant

Keine Sorge, das Lenkrad als solches gibt es noch. Und anders als es uns Science-Fiction-Filme seit Jahrzehnten voraussagen, wird es das Steuerrad im Automobil wohl noch eine Zeitlang geben. Doch ist es in meinen Augen schon jetzt Zeit für den ersten Abgesang auf jenes Bauteil, das zur perfekten Funktion nicht mehr sein muss, als der Name suggierert: ein Rad.

Auslöser ist der Renault 5 Diamant: ein « Geburtstagsgeschenk », dass der französische Architekt Pierre Gonalons dem Renault 5 zum Fünfzigsten gemacht hat. Statt einer simplen geometrischen Form aus einem simplen Material sitzt in dem Designerstück eine Brezel aus Marmor auf der Lenksäule – die bei Geradeausfahrt noch nicht einmal gerade steht. Das an sich wäre nicht weiter schlimm (schliesslich haben viele Sportwagen inzwischen auch eher abstrakte Steuerformen), stünde es nicht stellvertretend für das ganze mattrosa Mobil.

Der ursprüngliche Renault 5 war ein genialer Entwurf. Nicht nur konstruktiv, sondern auch optisch. Hier stimmt jeder Strich. Jede Linie hat eine Funktion, der sie sich unterordnet. Jede stilistische Eigenart wie die grossen, unlackierten Plastikstossfänger ist funktional begründet. Da kann man nichts mehr verbessern, nichts mehr hinzufügen oder weglassen. Ein hinter einer Klappe verborgener Tankdeckel würde die Flanke zwar aufgeräumter aussehen lassen, aber auch teurer in der Herstellung machen. Die Perfektion des Renault 5 liegt in seiner eleganten Einfachheit.

Genau das müsste Gonalons als Architekt eigentlich erkennen. Und genau das hat Gonalons nicht verstanden. Er hat goldene Akzente hier und Diamantschliff-Bauteile da an den Wagen gebaut ; hat ihn « veredelt », wo es nur ging. Während die « Scheinwerfer » natürlich keine echten Brillanten, sondern geschliffenes Glas sind, ist der mit den Initialen des Schöpfers verschlungene Renault-Rhombus aus 24-karätigem Gold. So hat der Architekt aus einem genial einfachen und vor allem klassenlosen Ingenieursprodukt ein überkandideltes Accessoire für die Tussi von Welt gemacht. Den Renault 5 Diamant kaufen nicht mehr die Studentin und die Anwältin. Ihn stellt sich die Schönheitschirurgengattin neben den Bentley Bentayga, weil er so schön zu ihren Gucci-Slippern passt.

Das hat nichts mehr mit der ursprünglichen Idee des Renault 5 zu tun. Wäre ich der Beschenkte – ich würde fragen, ob Gonalons die Quittung noch hat.

Renault 5Diamant